Imperfections - Wenn die Qualitätskontrollen der Norm nicht zählen

Lara Lütke

Heutzutage wird hauptsächlich dort produziert, wo es am billigsten ist und zwar so massenhaft wie nur möglich. Abgesehen von den Massen an Ressourcen ,die dabei unbedacht verschwendet werden, landet nur das absolut perfekte Endprodukt in unseren Verkaufsregalen. Der kleinste Mangel an der Oberfläche führt zur direkten Entwertung eines Objektes und ein vollkommen funktionstüchtiges Produkt landet als Ausschuss auf dem Müll. Objekte werden aufgrund ihrer äußeren Erscheinung aussortiert, nur weil sie nicht in das penibel gezogene Raster von Ästhetik unserer westlichen Gesellschaft passen. Der Anspruch auf makellose Schönheit geht inzwischen so weit, dass jährlich Unmengen an qualitativ hochwertigen Lebensmitteln nicht einmal in die Nähe unseres Tellers gelangen, sondern direkt in der Tonne landen. Krumme Gurken und Möhren werden zum Störfaktor in der Stapelbarkeit der Supermarktkisten, während zu kleine Kartoffeln gar nicht erst den Acker verlassen. Das Ergebnis ist ein perfekt sortiertes Supermarktregal, mit ausschließlich gerade gewachsenem Gemüse, einheitlich rot gefärbten Tomaten, während sich in den Hinterhöfen der Industriehallen riesige Berge qualitativ hochwertigen Produkte in Abfallcontainern ansammeln.

Die Weinglasserie Imperfections mit samt ihrer tiefgehenden Glasstudie beschäftigt sich mit genau diesem Perfektionismus und zeigt die Absurdität unseres Aussortieungsmechanismus. Fehlermerkmale die in der industriellen Herstellung zur Aussortierung eines gefertigten Objektes führen (zum Beispiel kleine Bläschen, Verformungen oder Risse) werden im Gestaltungsprozess gezielt und extrem verstärkt als Getaltungsmittel eingesetzt. Um mich dem Thema zu nähern, beschloss ich das Weinglas als Beispielobjekt zu wählen, da es sich um ein kultruell aufgeladenes Objekt handelt und häufig im Kontext von Perfektion auftritt. (edles Hotel oder Restaurant) Das Weinglas nimmt dabei eine Platzhalterfunktion ein, da sich die Arbeit auf ein universelles Thema bezieht und der von mir kritisierte Perfektionismus auf eine Vielzahl von Objekten und Bereichen übergreift. Für die Gestaltung meiner Objekte entwickelte ich eine Art Katalog, der die unterschiedlichen Fehler in der Glasherstellung in Kategorien unterteilt. Als Basis dienten mir dafür die Fehlerkataloge verschiedener Glasmanufakturen. Mit Hilfe einer tiefgreifenden Materialrecherche fokusierte ich mich auf das Thema „Fehler“ und erarbeitete so eine künstlerische Umsetzung heraus. „Imperfections“ ist daher nicht nur eine Weinglasserie sondern bietet gleichzeitig tiefe Einblicke in eine Analyse von Fehlern. Sie verweist auf die Schönheit von Fehlern, ihre Einzigartigkeit und vor allem beschäftigt sie sich mit dem Thema Ästhetik und Zufall. In wie weit kann man einen Fehler kontrollieren, wann kippt das Fehlerhafte mit seiner Schönheit ins Unästhetische? Und die Grundfrage, wann ist ein Fehler ein Fehler?

In der Serie „Imperfections“ werden Fehler als Inspiration genutzt und auf dessen unterschätze Schönheit hingewiesen. Die Arbeit „Imperfections“ stellt sich aus einem schriftlichen sowie praktischen Teil zusammen. Der praktische Teil besteht aus acht fertigen Weingläsern sowie der zugrundeliegenden Glasstudie, insgesamt 116 geblasenen Objekten. Der theoretische Teil der Arbeit liegt in Form einer schriftliche Dokumentation vor, bestehend aus drei Teilen. Eine wissenschaftlichen Heranleitung an das Thema, die Dokumentation des Entstehungsprozesses und ein Glasbläsertagebuch. Zudem entstanden zwei kurze Videos in der Glasblaswerkstatt, zur Anschauunng und Erklärung des Herstellungsprozesses.

Betreut durch: Prof. Gerrit Babtist, Gastprof. M.Sc. Kristian Gohlke, M.A. Susann Paduch