200|100|0: Eine Betrachtung des Kreativitätsbegriffes zwischen Marx, Bauhaus und Open Design

Tobias Held

Das erste Maschinenzeitalter – Industrie 1.0

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war es üblich, dass die meisten Waren auf ähnlichen, seit alters her bewährten Wegen geschaffen wurden. Kleine Familienbetriebe oder Manufakturen, oft noch mittelalterlich-zünftig organisiert, prägten die Produktionslandschaft. Vieles wurde durch spezialisierte und dementsprechend geschickte HandwerkerInnen per Hand gefertigt. Kamen Maschinen zum Einsatz (wie beispielsweise Spinnräder oder Webstühle), wurden diese durch menschliche Kraft betrieben oder gesteuert. Die Maschine war folglich ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck, und ohne den Menschen nicht funktionsfähig. Doch als der Brite James Hargreaves 1764 seine Spinning Jenny, die erste industrielle Spinnmaschine in der Geschichte der Technik, anwirft, stößt er damit eine Bewegung an, die das Leben der Menschen weltweit grundlegend veränderte. Mechanische Werkstätten, die als Neugründungen handwerklich orientierter Erfinder oder im Ausbau bestehender Handwerksbetriebe binnen weniger Jahrzehnte zu Maschinenbau-Anstalten und richtigen Fabriken heranwachsen, entstehen. Das erste Maschinenzeitalter war eingeläutet, die Industrialisierung begann. Infolgedessen fanden zahlreiche technische Entwicklungen und Fortschritte in Materialität und Herstellung statt. Zu den nachhaltigsten Erfolgen jener Jahre gehören zweifelsohne die Eisenbahn, der Kohleabbau, die Schwerindustrie, die Dampfschifffahrt, die Tuchherstellung sowie der Textildruck. Doch vor allem die Errichtung mechanischer Produktionsanlagen sowie der Antrieb von Maschinen durch Wasser- und Dampfkraft, als überlegene und wirtschaftliche Kraftquelle, hatten unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeit der Menschen. Ausgangspunkt dieses Entwicklungsprozesses war vor allem die Erfindung der Niederdruck-Dampfmaschine durch James Watt im Jahre 1782. Während sich die Produktion infolgedessen von einer primär manufakturellen Einzel- und Kleinserienherstellung hin zur Massenproduktion wandelte, erkannten auch die Menschen, dass industrielle Entwicklungen vor allem neue Arbeitsplätze in den Fabrikhallen mit sich brachten. Eine Verlagerung des Arbeitskräftebedarfs, von der bisher vorherrschenden Landwirtschaft in die Betriebe, fand statt. Die Folge waren Landflucht sowie ein dementsprechend rasanter Anstieg des Bedarfs an städtischem Wohnraum. Während sich die oftmals kinderreichen Familien der Arbeiter in Kleinstwohnungen von ein bis zwei Räumen unter unwürdigen Bedingungen zusammendrängten, errichten die wohlhabenden Bürger großzügige Wohnhäuser und Villen. Darüber hinaus veränderte sich auch die soziale und ethnische Zusammensetzung innerhalb der urbanen Ballungszentren. Nicht nur sozial, sondern auch räumlich verstärkte sich so die traditionelle Trennung der sozialen Schichten. Es bildeten sich ›vornehme‹ und proletarische Stadtviertel. Verstärkte Spannungen zwischen Alteingesessenen und Neuankömmlingen, Armen und Reichen waren die Folge. Und auch der Wert der Arbeit wandelte sich von Grund auf. Jene Mittel, die einst die Grundlage der individuellen Produktionszugänge bildeten, gingen verloren. Bis dahin war es üblich, dass die Menschen sowohl die Produktionsmittel in Form von Arbeitsgegenständen und Arbeitsmitteln (z.B. Maschinen und Werkzeuge) als auch ihre eigene Arbeitskraft vereinten. Weiterhin verfügten sie über von Generation zu Generation weitergebenes Wissen, angeeignete Erfahrungen und Fähigkeiten sowie einen nicht minder relevanten Faktor: Kreativität. Mit der Industrialisierung fand in diesem Punkt jedoch eine Transformation statt. Denn: der Besitz der Arbeitsmittel (Maschinen und Werkzeuge) sowie der Zugang zu Arbeitsgegenständen ging zu den Kapitalisten über. Die Produktionsmittel waren künftig von den Produzenten getrennt. Solange das Maschinensystem nicht die entscheidende Rolle im Produktionsprozess spielte, war die Maschinenproduktion an die manuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten handwerklich ausgebildeter Arbeiter gebunden. Doch mit dem Beginn der Hochindustrialisierung bestimmten die Maschinen zunehmend den Arbeitstakt der Menschen. Waren sie zunächst primär zur Unterstützung der Arbeit konzipiert, und sollten den Arbeitenden Arbeitsschritte abnehmen oder assistieren, musste sich der Mensch mit steigender Tendenz dem Rhythmus der Maschine unterwerfen. Der Mensch selbst wurde zum Werkzeug, zum abhängigen Teil. Sich selbst und anderen gegenüber entfremdet, erschöpft und kraftlos, in monotoner Arbeit diktiert durch den Takt der Maschine. Infolgedessen wurde die Arbeitszeit an sich betrachtet verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängerte. Die Arbeit wurde erleichtert, während sich kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigerte. Die Erfindung der Maschinen war an sich betrachtet ein Sieg des Menschen über die Naturkraft, kapitalistisch angewandt wurde der Mensch jedoch durch die Naturkraft unterjocht (1). Auf der Trennung der Produktionsmittel basiert auch die Lohnabhängigkeit. Denn im Gegensatz zu den Eigentümern der Produktionsmittel (den Kapitalisten) besaßen die Menschen fortan nur noch ihre Arbeitskraft. Um zu überleben waren sie gezwungen, diese wiederum als Ware einzusetzen und möglichst gewinnbringend an den Kapitalisten zu verkaufen. Dieser zahlte ihnen jedoch oftmals nur einen spärlichen Lohn – zum Sterben zu viel, zum Überleben zu wenig. Nachdem der Kapitalist die Arbeitskraft des Menschen erkauft hatte, konnte er diese einsetzen, um in Kombination mit den Arbeitsgegenständen und Arbeitsmitteln Waren (vornehmlich Massenprodukte) zu produzieren. Dabei ging auch der Mehrwert der Arbeit von den unmittelbaren Produzenten in den Besitz der Eigentümer über. Vereinfacht gesagt, lässt sich diese Idee Marx’ wie folgt zusammenfassen: Der Wert einer Ware bestimmt sich neben den eingesetzten Arbeitsgegenständen (Wert des Materials), sowie der Arbeitsmittel (Verschleiß der Maschinenteile), auch durch die im Produktionsprozess investierte menschliche Arbeit. Der Mensch, beziehungsweise dessen Arbeitskraft, wurde infolge dessen zu einer betriebswirtschaftlichen Größe, einer humanen Ressource, die sich, im Zusammenspiel mit weiteren Ressourcen des Unternehmens, optimal als Produktivfaktor einsetzen ließ. Dies führte zu mehr Wert für den Kapitalisten, als der Arbeiter in Form von Lohn als Austausch erhielt. Ein Ungleichgewicht entstand. Doch nicht nur für die Arbeiter, sondern auch für die Kapitalisten änderte sich einiges. Denn, sie wiederum stehen seitdem unter dem stetigen Druck, zunehmend Profite, also Kapital, zu generieren, da sie sonst vom Markt verdrängt werden. Eine Möglichkeit dafür ist es, Arbeiter zu entlassen und durch Maschinen zu ersetzen. Denn so lassen sich Lohnkosten sparen und die Produktivität weiter steigern. Doch Marx denkt diese Entwicklungen in seinem Werk bereits weiter. Für ihn ginge dadurch auch die Quelle des Mehrwerts verloren. Die Profitraten würden fallen. Absatzkrisen wären die Folge. Große Kapitalisten schlucken die Kleinen. Es käme solange zur Konzentration und Zentralisierung des Kapitals, bis ein Kapitalmonopol entstünde. Die Arbeitslosigkeit und infolgedessen die Armut der Arbeiter nähme unaufhörlich zu. Da niemand mehr dazu in der Lage wäre, Waren zu kaufen, wäre auch der Kapitalismus in einer Sackgasse. »Die kapitalistische Hülle« würde zerspringen unter dem Druck innerer Widersprüche. Eine Enteignung der Enteigner als Ende des Kapitalismus »Die Enteigner werden enteignet«, so Marx’ berühmte Formel für das Ende des Kapitalismus, wäre laut Marx die folgerichtige Konsequenz. Doch dazu ist es, auch aufgrund regulierender Maßnahmen seitens des Gesetzgebers oder alternativer Modelle wie der sozialen Marktwirtschaft, (bis heute) nicht gekommen. Dennoch lässt sich die Entwicklung zusammenfassend wie folgt festhalten: Der Mensch wurde im Zuge der Industrialisierung sowohl selber zum Werkzeug, zum notwendigen Anhängsel der Maschine, als auch zur Ware, zur humanen Ressource. Darüber hinaus gingen das Wissen und die Fähigkeiten, die bisherige Grundlage der individuellen Produktionszugänge, in zunehmenden Maße verloren. Sie waren in Zeiten von Teil- und später Vollautomatisierung nicht mehr notwendig.

 

Verlust der Kreativität

Einen besonders bedauernswerten und nicht minder relevanten Faktor der menschlichen Produktionsmittel stellt hierbei die Kreativität dar. 
Doch was ist Kreativität, wie lässt sie sich definieren? Kreativität ist mysteriös, unvorhersehbar und äußerst komplex. Bei Kreativität geht es nicht um die Unterscheidung zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, sondern um viel mehr: unzählige kognitive Vorgänge, neuronale Wege, Emotionen und um Wissen. Folgt man Reckwitz (2), so hat Kreativität zunächst eine doppelte Bedeutung. Demnach bezieht sie sich zum einen auf die menschliche Fähigkeit und die Dynamik, Neues zustande zu bringen. Ihre Grundlage bildet die Fantasie als Vermögen zur Vergegenwärtigung des Abwesenden, sowie die Vorstellungskraft zur Vergegenwärtigung/Objektivierung des Nicht-Existenten. Denn: Kreativität bevorzugt das Neue gegenüber dem Alten, das Abweichende gegenüber dem Standard, das Andere gegenüber dem Gleichen. Diese Hervorbringung des Neuen ist jedoch nicht als ein einmaliger Akt zu verstehen, sondern vielmehr als etwas, das immer wieder und auf Dauer geschieht. Ideen kommen mitunter aus dem Nichts und verschwinden ebenso schnell wieder. Voraussetzungen hierfür sind Neugier und ein Interesse an Selbstwertsteigerung. Kreativität ist – ganz stark vereinfacht gesagt – die Fähigkeit, aus Erlerntem jeglicher Couleur, Neues zu erschaffen und diesen Vorgang in abgewandelter Form stets wiederholen zu können. Auf der anderen Seite schwingt bei Kreativität stets etwas Mystisches oder eine schöpferische Potenz mit. Terminologisch geht die Kreativität in unserem Kulturkreis auf die christliche Schöpfungstheologie, auf die Erschaffung der Welt aus dem Nichts, durch Gott, zurück. Demzufolge war die Creatio, das Erschaffen, etwas das zudem nur Gott im Stande ist. Und was die Creatio hervorbrachte, war das Neue. Jedoch kann das Erschaffene seinerseits nicht kreativ sein. Demnach ist der Mensch selbst nicht in der Lage, Neues zu (er)schaffen, sondern allenfalls, die göttliche Schöpfung nachzubilden. Die creatio ex nihilo existiert demnach ausschließlich als göttlicher Akt. Diesem Ideal folgte man im westlichen Kulturraum. Jene Vorstellungen von Kreativität bezogen sich vorwiegend aus der Bibel, bis zur Renaissance und dem Aufkommen des Humanismus. Erst seit dieser Zeit gilt die Ansicht, dass ist auch der Geist zur Creatio fähig, das künstlerische Genie dazu in der Lage ist, Neues zu erschaffen. Das Neue, das Kreative, meint hier jedoch anders als im theologischen Modell, eine sich im Werk ausdrückende geistige Idee, die nicht automatisch ein materielles Werk umfassen muss. In diesem Punkt stellt die Kreativität eine Verbindung an das Künstlerische und Ästhetische, aber auch an das Künstliche her. Deshalb umfasst Kreativität im heutigen Bild keineswegs nur Gegenständliches. Vielmehr gestalten sich auch die Menschen selbst an ihnen. Die Formung des Selbst-Ichs: Eine kreative Gestaltung von Subjektivität steht im Mittelpunkt. Die Gestaltung des Selbst, des Ego, kann als gemeinsame Kultur der Menschen in Produktion und Rezeption verstanden werden: nach Georg Simmel – »wir uns ausbilden, indem wir die Dinge ausbilden« (3); oder wo Menschen (im Sinne von Marx) nicht nur Gegenstände produzieren, sondern sich selbst an ihnen. Folglich geht es bei Kreativität um weitaus mehr als das Erschaffen von Neuem, sondern auch um die sinnliche und affektive Erregung durch das Neue. Im Zuge der Industrialisierung und den damit verbundenen Entwicklungen der Konsumgesellschaft, ging die Kreativität jedoch weitestgehend verloren. Dies lässt sich einerseits am veränderten Konsumverhalten festmachen. Denn: Bestand nun Bedarf an Produkten, so mussten diese nicht mehr in händischer Arbeit und unter teils enormen Aufwand hergestellt, sondern konnten ›einfach‹ gekauft werden. Andererseits spielte der Faktor Kreativität im Beruf kaum noch eine Rolle. Der Mensch wurde nicht nur zum unflexiblen Anhängsel der Maschine, zum gehorsamen, hart arbeitenden Wesen, das sachlich und temporal bei seiner Aufgabenerrichtung festgelegt war. Vielmehr wurden auch seine Arbeitsgänge zunehmend automatenhaft wissenschaftlich ›begründet‹ optimiert und seine Arbeit somit überflüssig, zunehmend obsolet. "Weniger denken, mehr machen", war die Devise. Als Ergebnis dessen verlor der Mensch nicht nur seine Kreativität, sondern auch seine Selbstbestimmung. Er wurde zum unmündigen, inaktiven Verbraucher vorgegebener Konsumgüter, die häufig keinerlei Individualisierung zuließen. Statt sich im Sinne des Humanismus zu emanzipieren, machte er sich zum Sklaven einer durch den Markt und den Designer fremddiktierten Warenwelt.

 

Entstehung des Designberufes

Noch lange bevor das Design als Begriff oder Profession aufkam, stand das intuitive Gestalten von Werkzeugen und Gütern im Zentrum der Bemühungen. Deren Verfeinerung über Jahre hinweg, führte zu Handwerkskunst sowie dem Kunsthandwerk. Gestaltung oblag den Handwerkern und wurde durch deren persönliche Handschrift geprägt. Das moderne Design jedoch nimmt seinen Anfang erst in der manufakturellen Arbeitsteilung. Designgeschichtlich bedeutsam ist, dass es sich im Unterschied zu den Aufgaben im (kunst-)handwerklichen Meisterbetrieb, bei dieser Entwurfstätigkeit, bestehend aus Erdenken, Entwerfen und Kalkulation, bereits um eine Teilarbeit entsprechend der Aufgliederung des gesamten Produktionsprozesses, unter primär ökonomischen Gesichtspunkten der Manufaktur, handelte. Folglich war der Gestalter von diesem Zeitpunkt an nicht nur Teil des Ganzen, vielmehr war er dem System auch unterworfen. Die dafür zuständigen Personen, die über die Gestalt eines Erzeugnisses entschieden, waren jedoch keineswegs Designer, wie wir sie heute kennen, sondern meist Ingenieure oder die Fabrikanten persönlich. Erst im Verlauf der Jahre entwickelte sich ein größerer Bedarf an Fachleuten, deren Aufgabe vor allem in einer möglichst zweckmäßigen und ästhetischen Gestaltung der Waren lag. Mit Beginn der Industrialisierung entstanden, hauptsächlich aufgrund des Mangels an Erfahrungen, den (sich ändernden) Produktionsbedingungen sowie der Schwierigkeit sich einerseits vom Handwerk zu lösen und gleichzeitig produktionsgerechte Formen zu definieren, Güter mit plumper Anmutung. Da für die neuen Produkte schlichtweg keine Tradition in Form und Gebrauch existierte, wurden diese zumeist reich mit historisierender und dem Zeitgeist entsprechender Ornamentik verziert. Erst die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Arts-and-Crafts-Bewegung versuchte dem entgegenzuwirken. Für ihren Gründer William Morris hingen ästhetische und soziale Missstände eng zusammen –- schlechte Massenwaren, Umweltverschmutzung, entfremdete Arbeit. Sein Ziel war es, billige und schlechte Industrieware durch qualitativ hochwertige Handwerksprodukte mit einfachen, organischen Formen aus der Natur zu ersetzen – wie im Mittelalter, als Kunst und Handwerk noch stark miteinander verknüpft waren. Das Resultat dessen waren vor allem große stilistische Unsicherheiten und Stilvermischungen. Egal ob Romanik, Gotik, Renaissance und Barock – alle Einflüsse und Gestaltungsmerkmale bspw. aus der Architektur wurden nachgeahmt, kopiert, adaptiert, modifiziert und wild miteinander kombiniert. Schwere, zudem reich ornamental verzierte Möbel aus dunklen, exotischen Hölzern waren das Ergebnis. Als Ursache dafür wird meist das wirtschaftlich starke Bürgertum angegeben, das über noch kein eigenes ästhetisches Vokabular zur Repräsentation des eigenen Reichtums verfügte, dieses jedoch gerne zur Schau stellte. Doch Morris’ Ideen wohnten auch andere, nachhaltigere Elemente inne. Er kritisierte einerseits den Verlust traditioneller Herstellungstechniken, künstlerischer Individualität und die Trennung von Kopf- und Handarbeit. Andererseitser erkannte aber auch er, dass diese Entwicklungen zu einer Versklavung des Arbeiters durch die Maschine und infolgedessen zum Verlust seiner Selbstbestimmung führen (4). Anknüpfend an die Ideen der Arts-and-Crafts-Bewegung entstand 1907 der deutsche Werkbund. Dessen Ziel war weder die Rückkehr zum traditionellen Handwerk noch die Entwicklung eines eigenen Gestaltungsstils. Vielmehr wollte er einerseits die wirtschaftliche Stellung Deutschlands in Konkurrenz zu anderen Industrienationen verbessern und andererseits die Produktion qualitativ hochwertiger, industrieller Massenware, die auch für Arbeiterhaushalte erschwinglich, dabei aber mit hohem künstlerischen Anspruch gestaltet sein sollte, vorantreiben. Auf der Grundlage industrieller Fertigung, sollte so ein gegenwartsorientierter, sachlicher Stil entwickelt werden, der von Gebrauchsgegenständen über Möbel und Raumausstattung bis zur Gebäudeplanung reicht. Damit einhergehend wurde der Entwurf zunehmend von der Produktion gelöst. Von nun an sollte beides getrennt von Statten gehen. Als Ergebnis dessen festigte und entwickelte sich das Berufsbild des Designers (wobei die Bezeichnung sich im deutschen Sprachraum erst weitaus später durchsetzen sollte). Dieser bündelte sowohl das Wissen als auch die Kreativität und entschied von nun an, natürlich in stetiger Wechselwirkung mit dem Markt, "was das Beste für jeden einzelnen ist", Gegenstände zu entwickeln, die maschinell hergestellt werden konnten. Eine Arbeit, die, da dringende Bedürfnisse gestillt werden mussten, sinnvoll und notwendig war. Dafür bündelte er sowohl Wissen über die komplexen maschinellen Fertigungsvorgänge als auch Kreativität. Von nun an entschied er, natürlich in stetiger Wechselwirkung mit dem Markt, "was das Beste für jeden einzelnen ist". Anfangs verstand der Designer seine Arbeit als wichtigen und wertvollen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung. Dadurch sollte vor allem den unsystematischen, ohne jeglichen konstruktiven Bezug und an Ornamentik überladenen Wirrungen der vorangegangenen Epochen, entgegengewirkt werden. Das Design wollte funktional und schön sein. Es wollte verbessern, doch letztlich entfernte es sich zunehmend vom Menschen und dessen wahren Bedürfnissen. Anstelle dessen rückte einerseits die sogenannte ›Designgesellschaft‹. In dieser gestaltet der Designer nicht nur die ganze Welt und alle Lebensbereiche nach seinem Gusto, sondern das freie marktwirtschaftliche System ökonomisiert darüber hinaus auch noch alle Formen der Gestaltung und trägt somit zum kapitalistischen Ausverkauf bei. Andererseits entstand der cult of connaisseur als Begleiterscheinung dessen eine oftmals elitäre Sicht von oben herab auf den gemeinen Konsumenten. Auch der Designer verkam somit zu einem Produkt des Kapitalismus und seine Arbeit zum Bestandteil der Ware.

 

Industrie 2.0

Parallel dazu war die Einführung der Elektrizität als Antriebskraft sowie der Aufschwung der Chemieindustrie zum Ende des 19. Jahrhunderts Startschuss für die zweite industrielle Revolution. Die Arbeit in den Produktionshallen wurde stetig weiter automatisiert, in großen Fabriken produzierten die Arbeiter in Rekordzeit am Fließband und vollautomatisierte Maschinen nahmen ihnen weitere Arbeit ab. In dieser Entwicklungsphase erfuhren auch Büroarbeitsplätze eine Weiterentwicklung. Telefone und Telegrafen vereinfachten die Kommunikation, komplette Arbeitsprozesse wurden beschleunigt. Die eben beschriebenen Erfolgsfaktoren jener Zeit waren die ersten Schritte auf dem Weg zur Globalisierung. Die Herstellung von Automobilen, Kleidung, Rohstoffen und Lebensmitteln wurde automatisiert und auch der Verkehr entwickelte sich weiter. Die Luftfahrt nahm ihren Betrieb auf und per Schiff konnten die Weltmeere nicht nur schneller überquert, sondern auch Waren transportiert werden.

 

Das Bauhaus

In eben jene Zeit fällt die Gründung des Weimarer Bauhaus im Jahr 1919. Dessen selbstmanifestiertes Ziel war es, sich mit der Gestaltung des Übergangs von der handwerklichen zur industriellen Produktion, der Entfaltung des ersten Maschinenzeitalters, der Industrialisierung und der damit verbundenen Konsumgesellschaft auseinanderzusetzen. Dabei erahnte man bereits früh, in welche Richtung sich diese entwickeln und welche Auswirkungen dies für den Berufsstand des Gestalters haben würde. Wie schon die Arts-and-Crafts-Bewegung oder der Deutsche Werkbund strebte auch das Bauhaus nach einer Synthese der verschiedenen Wissensformen, bei der technisches, naturwissenschaftliches, emotionales oder kreatives Wissen zusammengeführt wird. Neu war jedoch, dass in den Entwürfen auch die klare Formensprache der industriellen Fertigung berücksichtigt werden sollte. Ziel war der Verzicht auf Schmuck und Ornamente. Dafür sollte eine schlichte, an geometrischen Grundformen orientierte Gestaltung, die sich vornehmlich von den überladenen historischen Vorläufern und dem Jugendstil unterschied, entstehen. Gropius’ Parole von »Kunst und Technik – eine neue Einheit« war folglich Krisendiagnose und Zukunftsversprechen nach einer Einheit von ästhetisch ansprechender Form und Funktion zugleich. Die Werkstatt-Struktur des Bauhauses war eine Antwort auf jene praktischen Herausforderungen, mit denen die zeitgenössische Gestaltung konfrontiert war. So wurden Produktionsräume entwickelt, um den Entwurfsprozess zu demokratisieren. Zugleich führten diese Räume zu einer Professionalisierung der Gestaltungslehre, die mit den Idealen der Moderne in Einklang stand. Zudem wurden Wissen und Fertigkeiten, die auf Erfahrung beruhten, sowie der interdisziplinäre Austausch gefördert – schließlich agierte man selbst zwischen Technik, Industrialisierung und Gesellschaft. Verbunden mit diesem Wissenskonzept war eine neuartige Pädagogik. Diese sollte den Menschen frei machen und sein kreatives Potenzial fördern, um so zur Schaffung eines neuen Menschen beizutragen. Ziel war es, eine neue Generation umfassend kompetenter und engagierter Gestalter auszubilden – um den Alltag zu revolutionieren und eine neue, bessere Welt zu gestalten. Im Bauhaus wurde Kreativität als eine erlernbare Kompetenz aufgefasst, welche jedem Menschen innewohnt und durch Anleitung und Übung ausbaubar ist. Die Frage war nicht ob ein Mensch kreativ ist, sondern inwiefern sich sein Talent entdecken und anschließend ausbilden oder intensivieren lässt. Zweifelsohne war das Bauhauses in den 14 Jahren seines Bestehens vielmehr ein Projekt oder eine (Wunsch-) Vorstellung, als eine Institution: schließlich wurde es dreimal geschlossen und an unterschiedlichen Standorten wiedereröffnet. Zudem unterlag es, mit sich ändernder Trägerschaft und Struktur, wechselnden Lehrkräften und Direktoren. In den 1920er-Jahren sprach man von der Neuen Welt, dem Neuen Menschen, der Neuen Stadt. Man versuchte, die Transformation von der handwerklichen zur industriellen Produktion, vom Laissez-faire-Kapitalismus zum Wohlfahrtsstaat, fortschrittlich zu gestalten. Man förderte die Interdisziplinarität, destabilisierte die Idee der Autorenschaft und stärkte die Demokratisierung von Wissen und Kompetenz. Man versuchte dem Beruf des Gestalters ein Gesicht zu geben und ihn ethisch und moralisch auf seine Zukunft vorzubereiten. Aus heutiger Sicht lässt sich konstatieren: Das historische Bauhaus setzte mit seinem Gestaltungsbegriff nicht an der Gegenwart, sondern an einer ebenso absehbaren wie imaginierten Zukunft an. Als Reaktion auf gegenwärtige Produktionsweisen wird heute erneut versucht, zeitgemäße pädagogische Modelle und Räume der Wissensproduktion zu entwickeln – sei es an Universitäten, in der Privatwirtschaft oder in Kulturinstitutionen. Durch solche Räume wurde es notwendig, neue ökonomische Strategien zu erfinden, die auf immateriellen Werten beruhen und mit kooperativen Produktionsweisen in Einklang stehen. Der heutige Erfolg von Media-Labs, Hackerspaces, FabLabs und Gründerzentren, die die Produktionslandschaft bereichern, ist zweifelsohne auf die Ideen des Bauhauses zurückzuführen.

 

Industrie 3.0

Ab den 1970er Jahren startete die dritte industrielle Revolution. Dabei standen die weitere Automatisierung durch Elektronik und IT im Fokus. Deren Vordenker finden sich bereits im 18. Jahrhundert. Charles Babbage gilt gemeinsam mit Ada Lovelace als Wegbereiter des individuell programmierbaren Computers. Auf deren Entwicklungsarbeiten folgten die ersten Geräte wie der 1941 präsentierte Z3, dem ersten funktionsfähigen Computer der Welt, der durch den deutschen Bauingenieur Konrad Ernst Otto Zuse entwickelt wurde. Als im Jahr 1950 das Folgemodell, der Z4 erschien, handelte es sich bereits um den ersten kommerziellen Computer, der letztlich mit dem Personal-Computer einen neuen Industriezweig begründete. Ein rasanter, bis heute andauernder Fortschritt, in deren Zuge die Entwicklungszyklen zunehmend kürzer wurden, begann. Neu entwickelte Bauteile der Mikroelektronik wie Transistoren, Widerstände, Kondensatoren, gedruckte Schaltungen oder allem voran der Mikrochip veränderten die technisch-funktionalen Rahmenbedingungen. Infolgedessen verlagerten sich die Produktionskosten zunehmend von der Fertigung zur Entwicklung, von der Hardware- zur Software-Produktion, vom Industrie- zum Dienstleistungssektor. Die Rationalisierung der Arbeit umfasste dabei zunehmend nicht nur Bewegungstätigkeiten, sondern breitete sich in unzählige Bereiche gesellschaftlicher Produktion aus. Eine herausragende Rolle dieser Entwicklung nimmt die Software ein. Als Bindeglied zwischen Mensch und Maschine fungierend, avancierte sie zum bedeutenden und dominanten Produktionsmittel und löste infolgedessen die Maschine als solche ab. Das bedeutete jedoch nicht, dass Maschinen nicht weiter als Arbeitsmittel fungierten oder gar verschwanden. Vielmehr transformierte die Programmierung die Maschinen und ließ sie zur treibenden Kraft der Produktion und des technischen Fortschritts werden.

 

Industrie 4.0

Heute befinden wir uns hingegen im zweiten Maschinenzeitalter, am Abschluss des zeitlichen Übergangs vom Analogen zum Digitalen, vom Physischen zum Virtuellen, von Konsum zu Eigenproduktion. Die Rückkehr zu einer ›„Hausindustrie‹“ steht bevor und das bedeutet vor allem, dass sich eine Widerkehr zu alten Möglichkeiten und Praktiken ankündigt. Aktuell liegt der Fokus auf fortschreitender Digitalisierung früherer analoger Techniken sowie der Integration cyber-physischer Systeme. Die Informatisierung nimmt in der Industrie 4.0 zunehmend konkretere Formen an. Klassische Industriezweige wie die Baubranche werden weiter digitalisiert und neue Kommunikationsformen geschaffen. Ob zweidimensional, dreidimensional oder gar im virtuellen Raum - der Entwurf geschieht längst nicht mehr ausschließlich am Reißbrett, sondern ist vollkommen durchdigitalisiert. Auf Trends, Geschmäcker und die Bedürfnisse des Marktes kann die Industrie 4.0 schneller und exakter reagieren ohne dabei selbstreflexiv zu agieren. Eine größere Bandbreite an Modellen und Produktausführungen wird ebenso schnell hergestellt wie auf die rapiden Entwicklungen und steigenden Komplexitäten von Kundenanforderungen und Marktveränderungen reagiert. Und neue, digitale Fabriken produzieren bei Bedarf bezahlbare Einzelstücke ohne Einbußen. Längst ist es in vielen Unternehmen oder ganzen Branchen üblich, nicht mehr auf Lager zu produzieren. Die Herstellung vieler Produkte, beispielsweise spezieller Wissenschaftsliteratur, geschieht ausschließlich on demand – also auf Nachfrage und nach tatsächlichem Bedarf. Darüber hinaus spielen Produktaspekte wie Nachhaltigkeit zunehmend eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung – oftmals werden sie aber nur als Verkaufsargument angesehen. Dabei ist Nachhaltigkeit doch vor allem durch Beständigkeit und nicht nur über ökologisch und moralisch vertretbare Herstellungsprozesse oder -materialien definiert. Sollte es bei Produktentwicklungen folglich nicht um viel mehr gehen, als nur um das Verfolgen eines ansprechenden Erscheinungsbildes, diktiert durch kurzweilige Trends? Und selbst Gebrauchsgegenstände und Verpackungen sind durch Strichcodes ans Internet angeschlossen oder anderweitig miteinander vernetzt. Die Digitalisierung verändert den kapitalistischen Betrieb fundamental – und damit auch die Formen des Arbeitens. Das Internet ist längst zum zentralen Faktor dieser Entwicklung geworden. Es ist nicht mehr nur das Fließband, das den Takt der Arbeit vorgibt: die Algorithmisierung verändert den kapitalistischen Betrieb fundamental, damit auch die Form der Arbeit, und es sind nicht mehr nur die herkömmlichen Industrie- und Finanzunternehmen, die die Wirtschaft bestimmen. Auch in der Industrie schreitet die Digitalisierung voran. Die Vermutung liegt nahe: Algorithmen machen Menschen, zumindest in einigen Sektoren, überflüssig. Das liegt jedoch nicht an der Technik, sondern vor allem an der Dynamik ihrer kapitalistischen Verwertung. Auf Trends, Geschmäcker und die Bedürfnisse des Absatzmarktes kann die Industrie 4.0 schneller und exakter reagieren ohne eine Reflektion zu befolgen. Nachhaltigkeit spielt zwar immer wieder eine entscheidende Rolle bei der Produktentwicklung, wird oftmals aber nur als Verkaufsargument und nicht als Ausgangspunkt einer Produktentwicklung gesehen. Eine größere Bandbreite an Modellen und Produktausführungen wird ebenso schnell hergestellt wie auf die rapiden Entwicklungen und steigenden Komplexitäten von Kundenanforderungen und Marktveränderungen reagiert. Ist nicht Nachhaltigkeit durch Beständigkeit und nicht nur über ökologisch und moralisch vertretbare Herstellungsprozesse definiert? Bei Produktentwicklungen sollte es um viel mehr gehen, als nur um das Verfolgen eines entsprechenden ästhetischen Erscheinungsbilds, diktiert durch kurzweilige Trends. Ein Phänomen der Zeit ist es, dass wir immer differenzierter wahrnehmen und auch immer differenzierter angesprochen werden wollen. Und neue, digitale Fabriken produzieren bei Bedarf bezahlbare Einzelstücke ohne Einbußen. Längst ist es in vielen Unternehmen üblich, nicht mehr auf Lager zu produzieren. Die Herstellung vieler Produkte, beispielsweise Sachbücher, geschieht ausschließlich on demand – also auf Nachfrage und nach tatsächlichem Bedarf. In puncto Digitalisierung scheint der Weg vorgegeben: Demnach werden ganze Berufsgruppen der Automatisierung zum Opfer fallen. Besonders bedroht ist dabei Arbeit, die gleichförmig und in stabilen Kontexten stattfindet, darüber hinaus kaum echten Kontakt mit Menschen erfordert. Sie wird über kurz oder lang digitalisiert – egal ob sie als einfach oder akademisch gilt. Aufgaben hingegen, die entweder tiefgehenden menschlichen Kontakt erfordern oder aber spontanes, komplexes und weitsichtiges Problemlösen, also echte Kreativität erfordern, werden hingegen auf lange Sicht in Menschenhand verbleiben. Die Vermutung liegt nahe: Algorithmen machen Menschen – zumindest in einigen Sektoren – überflüssig. Das liegt jedoch nicht an der Technik, sondern an der Dynamik ihrer kapitalistischen Verwertung. Doch auch das Gegenteil ist der Fall. Denn: Marx zufolge könnte Technik ein Helfer sein, der so eingesetzt wird, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf ein Minimum reduziert wird und dem Menschen freie Zeit oder die Möglichkeit verschafft. Seit der Industrialisierung und der Entstehung des Kapitalismus erfordert unternehmerisches Handeln Flexibilität und permanente Innovation – und folglich unentwegtes Schöpfertum. Es genügt nicht einfach nur kreativ zu sein, sondern kreativer als die anderen. Kreativität ist in diesem Sinne allgemeine Arbeit und als solche eine unmittelbare Produktivkraft. Niemand kann dabei sicher sein, für seine neuen Produkte Käufer zu finden. Den einzelnen Unternehmen bleibt dafür nur das Prinzip von Versuch und Irrtum. Als Ergebnis des Wettbewerbs häuft unsere Gesellschaft immer mehr Artefakte, Wissensbestände und Sinndeutungen an. Der Begriff Human Ressources bekommt somit, anders als noch während der Industrialisierung und bei Marx, eine vollkommen andere Bedeutung. Denn: nicht die pure Arbeitskraft als Produktionsmittel ist von Bedeutung. Vielmehr rückt das spezifisch Menschliche an der Ressource Mensch wieder zunehmend in den Mittelpunkt. Denn das, was den Menschen human macht, ist das, was ein Algorithmus, was eine Software, und folglich auch eine Maschine, auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist zu reproduzieren. Roboter werden Arbeitsabläufe zwar beschleunigen, in Sachen Kreativität stehen sie dem menschlichen Verstand aber (noch) um einiges nach. Deswegen werden emotionale Intelligenz, Wissen oder eben die Kreativität, also die Fähigkeit, Sinn zu empfinden und sinnstiftend auf andere zu wirken, enorm an Prestige gewinnen. Alte Tugenden wie Fleiß, Disziplin, Gehorsam werden durch ›„neue‹“ wie Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Kreativität und die Fähigkeit, das Handeln von Anderen intuitiv vorauszusehen, ersetzt. Die Kreativität, die immer auch auf Wissen fußt, wird die traditionellen und natürlichen Rohstoffe, das Kapital und die Arbeitskraft als die zentralen Produktionsmittel ablösen. Algorithmen werden indessen zur wichtigsten Maschine, Daten zum essentiellen Rohstoff und Kreativität und Wissen zur eigentlichen Ware Nummer eins. Der general intellect, das Wissen in seiner gesellschaftlichen Funktion, wird zum dominierenden Produktionsfaktor. Dies bedeutet jedoch keinesfalls eine vollständige Entkoppelung von diesen Ressourcen, sondern vielmehr eine massive Verschiebung hin zu Kreativität als zentralem Produktionsmittel, über das Wertzuwachs generiert werden kann. Die Produktion ist nicht mehr in erster Linie vom Kapitalisten abhängig. Ziel ist jedoch noch immer die Produktion von Mehrwert – lediglich die Form hat sich gewandelt. Es geht nicht mehr um die fabrikmäßige Herstellung von Waren und deren Verkauf, sondern vermehrt um die Organisation des Zugangs zu Wissen und Information. Die Produktion ist folglich nicht mehr in erster Linie vom Kapitalisten abhängig. Demnach kann sozial aufsteigen, wer über Kreativität und den Zugang zu Wissen und somit über Produktionsmittel und Produktionswerkzeuge, verfügt. Die führende gesellschaftliche Gruppe der Wissensgesellschaft wird fortan von den Geistesarbeitern gestellt: Kreativ- und Wissensführungskräfte, die in der Lage sind, ihre Fähigkeiten produktiv einzusetzen und daraus Neues zu kreieren. Deswegen wird sich auch die dem Kapitalismus durchdringende Klassenstruktur ändern und der alte Klassengegensatz zwischen besitzlosen Arbeitern einerseits und Kapitalisten als den Besitzern der Produktionsmittel andererseits, auflösen.

 

Open Design – Fluch oder Segen?

Ein Modell der Entwicklung und Produktion, das eben auf eben jenen Werten der Kreativität, des Einsatzes von Wissen sowie der Umstrukturierung der Produktionsmittel basiert, ist das Open Design. Dabei handelt es sich vor allem um eine Idee deren zentrale Prinzipien aus der Open-Source-Bewegung stammen. Analog zu den Methoden der Open-Source-Software bedeutet es das Entstehen einer neuen kollaborativen Entwurfskultur. Zu den Grundprinzipien des Open Designs gehört es, zu bestimmten Themen angeeignetes Wissen zu teilen und so wiederum Mehrwerte zu schaffen. Dafür wurden die Open-Source-Methoden für die Entwicklung und Herstellung von physischen Produkten angepasst. Die Verbreitung von frei zugänglichen Konstruktionsplänen über das Internet sowie die Vielfalt der Produktionsmethoden wie 3D-Druck oder CNC-Fräsen ermöglichen es nicht nur jedem am Entstehungsprozess eines Produktes teilzunehmen, sondern es auch den individuellen Bedürfnissen anzupassen und schließlich in Eigenregie zu produzieren. Damit stellt das Open Design eine klare Alternative zu klassisch strukturierten Organisationen dar und unterscheidet sich hauptsächlich durch neue Produktentwicklungs- und Geschäftsmodelle, sowie das Entstehen einer neuen kollaborativen Entwurfskultur. Mit Open Design haben Design und Produktion nicht nur eine Auswirkung auf die Eigenschaften des Produkts, sondern auch auf dessen Modifizierungsmöglichkeiten und potenzielle Transformationen in andere Produkte. Begünstigt ist diese Entwicklung vor allem durch die bereits beschriebene Umverteilung und Demokratisierung der Produktionsmittel, den veränderten Besitzverhältnissen, sowie durch eine Demokratisierung derer. Und im Vergleich zur präindustriellen Ära gibt es einen gravierenden Unterschied: die Besitzverhältnisse. Anders als zuvor müssen weder die Arbeitsmittel noch die Fähigkeiten im Besitz des Menschen sein. Denn durch 3D-Druck, Templates, Open-Source-Codes aber auch Tutorials auf Youtube oder anderen Plattformen verschwimmen die Restriktionen des Eigentums wieder. Durch den einfachen Zugang zu Maschinen und der Möglichkeit, Gegenstände mit geringerem Aufwand selbst herstellen zu können, werden sich Produktentwicklung, -herstellung und -vertrieb mittel- bis langfristig grundlegend ändern. Mit Open Design haben Design und Produktion nicht nur eine Auswirkung auf die Eigenschaften des Produkts, sondern auch auf dessen Modifizierungsmöglichkeiten und potenzielle Transformationen in andere Produkte. Im Internet liegen folglich nicht nur die Voraussetzungen, das zu teilen, was wir tun. Vielmehr ist es dank des Internets möglich, das zu ändern, was andere tun – und zwar so, dass es unseren Erwartungen und Bedürfnissen entspricht. Heute ist es im Sinne des Open Design möglich, bestehende Entwürfe aus dem Internet zu laden, anzupassen und wieder frei zu geben. Doch kann das Open Design die Lösung für die Probleme mangelnder Freiheit der Endverbraucher sein? Sicher ist: Die Open-Design-Bewegung ermöglicht eine Befreiung von alten Strukturen. Die strikte Zuständigkeit für vorab definierte Teilbereiche der Produktion, die stets mit beschränkten und damit auch einschränkenden Kompetenzen verbunden sind, werden aufgehoben. An deren Stelle rückt eine umfassendere Handlungs- und Entscheidungskompetenz und somit auch der Gewinn von Flexibilität. Darüber hinaus bedeutet Open Design auch, die Schranke zwischen Konsumenten und Produzenten abzubauen. Denn: bisherige Konsumenten werden (wieder) zu Produzenten. Und indem sie produzieren, gestalten sie auch. Und wer gestaltet und etwas (er)schafft, der ist auch kreativ. Die Kreativität wird folglich wieder gefragt und infolgedessen ein kostbares Gut. Fraglich ist jedoch, ob die Struktur der freien Verfügbarkeit nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis funktioniert. Kann die Privatproduktion als demokratische Form kooperativer Individualität funktionieren oder wird der Markt und die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus regulierend auf sie einwirken? Welche Auswirkungen wird die Entwicklung von Geschäftsmodellen haben, die versuchen, offene Formen der Wissensproduktion mit kapitalistischen Praktiken der Verwertung zusammen zu bringen? Wie hoch ist die Gefahr, dass Teile des Gesamtprodukts zwar offen zugänglich gemacht und zur Weiterentwicklung freigegeben werden, die Ergebnisse dessen aber weiterhin unter privater Verfügung bleiben? Was wäre, wenn zwar die Teilprodukte oder der Zugang umsonst angeboten, die Dienstleistungen um ein Produkt herum jedoch kommerzialisiert werden würden? Bedeutet das nicht, dass selbst alternative Formen der Verwertung, die für die Warenzirkulation notwendige Knappheit lediglich auf eine andere Ebene verlagern und somit ihre eigenen Prinzipien ad absurdum führen?

 

Quo vadis Design? Sterben die Designer aus?

Unabhängig davon, ob das Open Design eine Zukunft hat, steht meines Erachtens nach fest: Sowohl das Design, als auch der Designer werden sich ändern müssen. Design ist dafür da, die Dinge einfacher, klarer, funktionaler, sinnvoller zu machen. Allzu oft scheinen die Ideen des Bauhauses, der HfG Ulm oder anderer designtheoretischer Strömungen vergessen zu werden. Unterstützt durch den cult of connaisseur, sowie Autorendesign und kapitalistischem Konsumverhalten, verkam es fortschreitend zu einer Hülle, zum diktatorischen Mittel, zu einer Art Meta-Ideologie unserer Zeit. Nichts soll mehr so sein wie es ist. Alles will mehr sein. Es muss immer etwas dazukommen, etwas wie Sinn oder Bedeutung. Die eigentliche Funktion eines Produkts wird ersetzt durch eine Geschichte, die ein Lebensgefühl erzeugen oder wenigstens simulieren soll. Es geht nicht mehr um Funktion, sondern um Irrationalität und Emotionalität. Nicht mehr form follows function, sondern form follows fiction. Nicht mehr less is more, sondern allem voran die Befriedigung des Bedürfnisses nach einer Ersatzwirklichkeit, der Entwurf des Lebens von morgen. Noch nie gab es so viele überflüssige Dinge wie heute. Und wenn Designer Dinge gestalten, bei denen wirklich Bedarf besteht, dann sind sie oft so unpraktisch wie die Zitronenpresse von Philippe Starck. Die tradierte Auffassung vieler Designer lautet nach wie vor: Design ist nicht demokratisch. Demnach müssen die Leute nicht bekommen was sie wollen, sondern was sie wirklich brauchen. Und was sie wirklich brauchen, das bestimme ›Ich‹, der Designer. Das Design muss seinen diktatorischen und elitären Anspruch hinter sich lassen und wieder den Menschen in den Mittelpunkt aller Bestrebungen setzen. Design muss in Zukunft wieder funktionieren, dabei jedoch auch gleichzeitig berühren und sich den individuellen Bedürfnissen anpassen (lassen). Design muss sich in gewissem Maße von der Wachstumsorientierung der Konsumgesellschaft lösen um sich, in Anbetracht globaler ökonomischer Umwälzungen und ökologischer Herausforderungen, auf seine eigentlichen Aufgaben und Ziele zu konzentrieren. Die größte und wichtigste Aufgabe von Design ist es, neue Visionen und Bedeutungen zu gestalten. Der Ausgangspunkt von Design sollte mehr der Social Impact als Profitabilität sein. Wir sollten versuchen, Produkte zu entwickeln, die dem Konsumenten helfen eine kollaborative Kultur zu entwickeln, vielmehr als nur visuelle Oberflächen und Hüllen zu gestalten. Das Design trägt ebenso wie die komplette Warenproduktion vielmehr eine Verantwortung in Bezug auf Nachhaltigkeit sowie die Umgebungswelten der Zukunft. Doch wie lässt sich dieses Verständnis von Design in die Entwicklung der Postkonsumgesellschaft integrieren? Dafür müssen die Designer von Anfang an in die Produktentwicklungen mit einbezogen werden. Es genügt nicht nur ein Redesign bestehender Produkte, hin zu einer neuen visuellen Identität. Um die Integration des Designers in solchen Prozessen von Beginn an zu erreichen, wird ein Spagat zwischen dem eigenem Selbstverständnis und den Ideen des Designers auf der einen, und den Ansprüchen nach Ästhetik, Selbstverwirklichung und Individualisierbarkeit des Endverbrauchers auf der anderen Seite nötig sein. Dafür muss sich der Designer im Wesentlichen von seinem konventionellen Pendant abgrenzen. Und das insofern, als dass er seine Entwürfe online zugänglich macht – kostenlos und für jedermann. Die User wären dann dazu in der Lage, diese zu downloaden, an die eigenen Bedürfnisse oder ästhetischen Kriterien anzupassen und anschließend selber in die Produktion zubringen. Verbraucher sind dadurch in der Lage, sich besagtes Design anzueignen. Dadurch würden traditionelle Modelle der Autorenschaft und des geistigen Eigentums hinfällig. Bestehende rechtliche Strukturen und moralische Konstrukte müssten geändert und den offenen Systemen angenähert werden. Denn: das aktuelle Urheberrecht steht einer freien, flexiblen und unkomplizierten Kommunikation im Weg und hält mit der gesellschaftlich-technischen Entwicklung nicht mehr Schritt. Entwicklungen und Diskussionen, die andere Kreativbranchen, insbesondere die Film- und Musikindustrie, bereits durchgemacht haben. Und auch das Grafikdesign musste bereits lernen mit der Tatsache umzugehen, dass jeder mit einem Computer und der richtigen Software Zugang zu den Mitteln hat, hochqualitative und produktionsfähige Entwürfe zu erstellen. In vielen Fällen wird deswegen die Rolle des Grafikdesigners von der Erstellung festgelegter, gedruckter Produkte hin zur einmaligen Erstellung fluider Systeme wie Websites, gewandelt. Weitere Kontrolle über die zukünftigen Inhalte, die seiner ursprünglichen Schöpfung hinzugefügt werden, hat er dabei aber nicht. Auch das Produktdesign wird dazu in der Lage sein müssen, eine Lösung für die veränderten Bedingungen zu finden. Übrig bleibt jedoch die Frage nach der weiteren Bedeutung und der Aufgabe des Designers. Braucht es den Designer als Berufsstand noch oder stirbt er aus? Denn: Wenn theoretisch jeder alles selber entwerfen und produzieren kann, wozu braucht es ihn dann noch?

 

Beziehung Designer – Nutzer

Fest steht: die Rolle und damit die Aufgaben des Designers werden sich erneuern müssen. Und deswegen muss sich auch die Haltung des Designers gegenüber seinem (bisherigen) Konsumenten ändern – und zwar insofern, als dass sich die Beziehungen zwischen dem Designer und dem Endverbraucher von einer linearen zu einer wechselseitigen umformen wird. Wie ein Dirigent der seinem Orchester ein musikalisches Konzept vorgibt und dieses in der Ausführung und Interpretation anleitet, wird auch ein Designer zukünftig dem Endverbraucher entgegenstehen. Der professionelle Designer wird folglich ein Agent des Designs. Und: Diese angedeutete Analogie zwischen der Rolle des Designers und der Rolle Orchesterdirigenten ist in doppelter Hinsicht zutreffend. Denn: Während der Dirigent als kreative Kraft hinter der Aufführung anerkannt, respektiert und sogar gefeiert wird, ist es allgemein bekannt, dass der Prozess der Produktion an sich eine Teamarbeit, also eine Ko-Kreation, mit einer großen Besetzung von ebenso kreativen Individuen ist. Und ebenso wie ein Orchester nicht ohne seinen Dirigenten funktionieren kann, ist auch der Designer in jenem weitläufigen System ein entscheidender Faktor. Die zentrale Rolle wird von nun an die Unterstützung und Betreuung des Verbrauchers beim Manipulieren der jeweiligen Entwürfe sein. Dazu müssen entweder ko-kreative Rahmen oder fluid agierende Strukturen entstehen, bei deren Entwicklung und Umsetzung der Designer maßgeblich involviert ist.

 

Beziehung Designer – Objekt

Weiterhin wird sich auch die Beziehung zwischen dem Designer und dem Objekt, also seinem Entwurf, verändern. Denn, möglicherweise wird er diesen nie sehen. Darüber hinaus muss er sich von dem Ideal des Connaisseurs lösen und lernen damit umzugehen, dass all seine Bemühungen verändert werden können, ›„nur‹“ um sich den Bedürfnissen des Individuums anzupassen. So haben Gert Selle und Jutta Boehe (5) bereits in „Leben mit den schönen Dingen“ festgestellt, dass der Gestalter zwar ein Produkt für einen bestimmten Gebrauchsnutzen entwerfen und produzieren kann, das Massenprodukt jedoch erst durch die Aktivität, Erfahrung und Fantasie des Nutzers in seinen Lebenszusammenhang integriert wird und unter Umständen ein ›„Ding‹“ zu einem ganz anderen Zweck gebraucht werden kann, als es ursprünglich geplant und gestaltet wurde. Hierbei spielt insbesondere das individuelle Werteempfinden des Nutzers die entscheidende Rolle – und nicht die Entwurfsabsichten des Designers. Und, auch wenn es für den Designer vielleicht entmutigend erscheint, sich von dem von ihm entworfenen Endprodukt zu entfernen, ist es in der Tat eine große Chance für ihn, mit dem gesamten damit verbundenen Wissen viel stärker in den Produktionsprozess involviert zu sein. Die Herausforderung wird folglich darin bestehen, die Designintegrität des Endergebnisses beizubehalten, und die Identität der ursprünglichen Designintention wahrzunehmen und gleichzeitig den einzelnen Benutzern die Freiheit zu geben, die Arbeit der Designer an ihre eigenen anzupassen. Die romantische Idee des Designers, „ein perfektes Produkt“ zu entwickeln, das für alle Menschen praktikabel ist und funktioniert, existiert nicht. Von viel größerer Bedeutung wird es sein, Produkte zu entwickeln, die eine Umnutzbar- oder Weiternutzbarkeit über ihre eigentliche Gestaltung hinaus ermöglichen und diese in ihrem Entwurf beinhalten. Zukünftig braucht es folglich demzufolge nicht nur bessere, sondern auch weniger Produkte, die sich wiederverwenden, umnutzen, nachnutzen oder mitnutzen lassen. Dafür verlangt es Designer, deren Blick über den berühmten Tellerrand hinaus reicht und weiter als nur für den Markt sieht.

 

Beziehung Nutzer – Objekt

Doch auch die Beziehung zwischen dem Nutzer und dem Produkt wird einen Wandel erleben. Schließlich entwickelt er sich vom passiven Konsumenten vorgegebener, zur Befriedigung seiner Bedürfnisse künstlich mit Bedeutungen aufgeladenen Produkten, zum aktiven Urheber. Neue Designansätze können dem entgegenwirken und verantwortungsvolle Wege aufzeigen, Produkte zu ändern und Materialminderung, beziehungsweise Nachhaltigkeit, durch eine neue Wertschätzung von Produkten zu gestalten. Produkte lassen sich so konzipieren, das Geschichten für unterschiedlichste Sinne gestaltet werden und dem Produkt somit eine eigene Persönlichkeit verleihen. Dies würde zum Ansteigen der Wertschätzung des Produktes sowie einer Verminderung des Verlangens diese auszutauschen, sobald der neuste Trend oder die nächste relevante Technologiestufe erreicht wird, beitragen. Dazu sollte das Design einen Rahmen oder eine Struktur schaffen, in dem die Inhalte durch den Nutzer selbst geschaffen oder bespielt werden können. Die Kontrolle über potenzielle Nutzungsszenarien würde dadurch direkt dem Konsumenten übertragen. Dies würde es ihm erlauben, sein eigenes Leben zu transformieren.

 

Die Designausbildung

Um all diesen Transformationen und Änderungen gerecht werden zu können, wird sich auch die Designausbildung hinsichtlich ihres Lehrplans ändern müssen. Der Designer muss ein Gespür und das Wissen dafür haben, sich sowohl in Unternehmen und wirtschaftlich-komplexe Systeme, als auch in die Menschen, die potenziellen Nutzer seines Produktes, hineinzudenken. Verschiedene Unternehmen brauchen verschiedene Designs – ebenso wie verschiedene Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Designer müssen lernen, sowohl komplexe als auch simple Systeme zu entwickeln, die von anderen benutzt werden können, anstatt zu versuchen, der alleinige Autor ihrer eigenen Arbeit zu bleiben. Weiterhin wird sich die Designausbildung wieder einer allumfassenderen, handwerklichen Ausbildung annähern müssen. Die Studenten sollten vermehrt dazu in der Lage sein, aussagekräftige Einzelstücke statt einer Vielzahl identischer Massenprodukte zu entwickeln. Alles in allem sollten diese Entwicklungen nicht als Bedrohung oder als Affront gegen ihr Know-How, sondern vielmehr als Chance eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung neuer Produkte zu spielen, verstanden werden.

 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich die Entwicklung des Kreativitätsbegriffes wie folgt festhalten: Der Kreativitätsbegriff hat in den letzten 200 Jahren eine enorme Wandlung erfahren. Die Grundlagen dafür reichen bis in die Antike zurück. So war bereits Plato der Auffassung, dass es nicht möglich ist, etwas vollständig Neues zu erschaffen, sondern die Aufgabe von Kunst darin liege, ein Ideal nachzuahmen oder sich ihm zumindest anzunähern. Diese Auffassung wurde unter Anderem von der christlichen Schöpfungstheorie weitergeführt und behielt infolgedessen, durch religiöse Einflüsse verstärkt, bis zur Renaissance und Humanismus als weitverbreitete Ansicht bestand. Seitdem und insbesondere während der Zeit des Sturm und Drang, galt die Kreativität als etwas der Kunst und dem Künstler zugehöriges. Dem vorherrschenden Standpunkt nach war die Kreativität eine unbewusste Eingebung des Künstlers, die nicht selten mit dunklen, chaotischen Leidenschaften verbunden war. Kennzeichen dieser Ära war darüber hinaus eine Bewunderung großer, kreativer Leistungen, die gleichzeitig aber als nicht erklärbar und beeinflussbar angesehen wurden. Vor der Industrialisierung wurde die Kreativität und deren Anwendung als ein wichtiges Gut betrachtet. Die Menschen mussten "selber machen", um zu besitzen. Kunsthandwerkliche Fähigkeiten waren gefragt und brachten Ansehen mit sich. Im Zuge der Industrialisierung und den damit verbundenen Entwicklungen der Konsumgesellschaft ging die Kreativität jedoch weitestgehend verloren. Wollte man etwas besitzen, so konnte man es schlichtweg kaufen. Und auch in der Herstellung war die Kreativität selten verlangt. Darüber hinaus gab es natürlich Menschen, die für einen kreativ waren und einem vorsetzten, was sie wiederum für richtig hielten. Vor 100 Jahren wurde dann in Weimar das Bauhaus gegründet und begonnen, erneut über Kreativität nachzudenken. Sie wurde als eine erlernbare Kompetenz aufgefasst, welche jedem Menschen innewohnt und durch Anleitung und Übung ausbaubar ist. Die Frage war nicht ob ein Mensch kreativ ist, sondern inwiefern sich sein Talent entdecken und anschließend intensivieren lässt. Dafür gab es neue Ansätze pädagogischer Vermittlung, wie bspw. den Vorkurs. Heute hat die Kreativität einen vollkommen neuen Stellenwert erhalten. Wer was auf sich hält, macht es selber – nicht nur um etwas zu formen, sondern auch um sich, ganz im Sinne von Marx oder Simmel, selber zu formen. Dabei kann er auf Anleitungen, Templates oder Muster zurückgreifen, sich inspirieren lassen oder schlichtweg bestehendes nach seinen Bedürfnissen anpassen. Fraglich ist jedoch inwieweit es überhaupt noch kreativ ist, Vorgegebenes "nachzumachen"? Ich denke eine ganze Menge. Denn schließlich bedeutet kreativ zu sein, etwas zu erschaffen, schöpferisch tätig zu sein. Und gerade in einer Welt, in der unsere Handgriffe mehr und mehr von Maschinen übernommen werden, müssen wir uns die Fähigkeit erhalten, die uns die Maschinen bisher nicht nehmen können: quer zu denken und Dinge zu kombinieren, die zuvor unvorstellbar waren.